Wie kann man zwei für die Reise gebauten Motorräder besser miteinander vergleichen, als mit den beiden auf eine Reise zu gehen? Somit packten wir im aufkommenden Herbst Ende Oktober mal wieder für die Redaktion die beiden Modelle auf einen Anhänger und zogen sie nach Italien, um dem schlechter werdenden Wetter noch einmal etwas zu entgehen.
Dieses Vorhaben klappte nur bedingt, aber das ist eine andere Geschichte.
Zunächst hier der Hinweis: Die Honda hatten wir schon im Spätsommer zu einem ausführlichen Fahrbericht, daher stelle ich das Modell hier im Einzelnen nicht noch einmal vor.
Somit direkt zur “V - Strom”. Die V-Strom-Reihe kann man inzwischen schon ein wenig als Klassiker im Suzuki-Portfolio bezeichnen. Ursprünglich motortechnisch von den SV-Modellen abgeleitet, gab es sie lange Zeit mit 650 und 1000cm³, jeweils dargereicht als Zweizylinder in V-Bauform.
Gerade die 650er erfreute sich lange Zeit großer Beliebtheit. Die 1000er wurde neu aufgelegt und schließlich zur 1050er, bei beiden blieb es aber beim V-Motor. Aber gerade die beliebte Mittelklasse wuchs in den letzten Jahren vom Volumen zusehends. Aus den 600er/650er wurden immer mehr 700er/750er/800er. Auch Suzuki hatte da bei den klassischen Straßenmaschinen mitgespielt, aus den kleinen, drehfreudigen 600er-Vierzylindern wurden 800er Zweizylinder.
Da man nun schon einen passenden Motor im Sortiment hat, bietet es sich ja fast an, die Lücke bei der V-Strom-Familie zwischen dem kleinen und großen Modell etwas zu schließen.
Wobei beim Namen nun etwas gemogelt wird, mit dem Reihen-Zweizylinder passt ja “V-Strom” irgendwie nicht mehr so ganz. Während die 650er nach wie vor in Sachen Fahrwerk deutlich straßenorientiert daher kommt (19” Vorderrad und 17” Hinterrad), bietet die neue 800er (wie auch die 1050er) in Sachen Fahrwerk die Wahl zwischen dem 19” (110/80) Vorderrad und der “offroadigeren” Variante mit 21” (90/90).
Hinten bleibt es stets bei 150/70-17”. Üblicherweise wird ein 21” Vorderrad ja gerne mit einem 18” Hinterrad kombiniert.
Die “abenteuerliche” 21”-Version bekommt im Namen ein DE angehängt, was für Dual Explorer steht.
In dieser Variante verfügen die Reifen auch jeweils über einen Schlauch. Eben so eine DE-Version trat hier im großen Vergleichstest gegen die Honda XL 750 Transalp (ebenfalls mit dem 21” Vorderrad) an.
In Sachen Federweg bietet die Suzuki mit 220mm (vorne und hinten) etwas mehr Reserven als die Honda (vorne 200mm/190mm hinten), mit ihren 208kg schleppt diese aber weniger Gewicht mit sich herum als die V-Strom mit satten 230kg. Dafür ist das Fahrwerk der V-Strom vorne wie hinten voll einstellbar, die Transalp begnügt sich jeweils mit der Einstellbarkeit der Federvorspannung.
Hier also ein Plus für die Suzuki, wobei wir hier im Test an den Einstellungen keine Hand anlegen und alles auf Werkseinstellungen belassen. In Sachen Zuladung stehen bei der Honda 207kg im Datenblatt, bei Suzuki sind es 200kg.
Kernstück der 800er V-Strom Modelle ist der schon angesprochene Reihen-Zweizylinder mit 776cm³ und 270° Hubzapfenversatz, so ist der Klang zumindest wieder beim V2. Der Motor leistet muntere 62kW (84PS) bei 8500 1/min und entwickelt ein max. Drehmoment von 78 Nm bei 6800 1/min.
Im direkten “Papiervergleich” mit dem 755cm³ Motor der Honda stehen bei der Suzuki also 5,5 kW (8PS) weniger an Spitzenleistung, dafür aber 3Nm mehr an max. Drehmoment an. Was das nun genau auf der Straße bedeutet, sehen wir später.
Bereift waren übrigens beide Modelle mit den Dunlop Trailmax Mixtour, somit sind die Fahreindrücke schon einmal nicht ggf. unterschiedlicher Bereifung geschuldet.
Ebenso recht identisch wirkt auf den ersten Blick das verbaute 5” TFT-Display, auf welches beide Modelle setzen.
Optisch kommt die Suzuki etwas gewagter daher, was nicht nur an der grellen gelben Farbe und den blauen Akzenten liegt. Über dem “Schnabel” schaut keck eine kompakte, zweiteilige LED-Lampeneinheit hervor.
Das verleiht der V-Strom ein recht markantes und auch einzigartiges Gesicht. Was noch bei der Besichtigung auffällt: Die Suzuki hat einen serienmäßigen Motorschutz verbaut, dieser ist allerdings aus Kunststoff. Vor ganz wilden Einsätzen sollte das vielleicht berücksichtigt werden.
Aber immerhin, die Krümmer der Honda sind im Serienzustand gänzlich ungeschützt. Die V-Strom bietet zudem an der Hinterradschwinge Montageständer-Aufnahmepunkte und Handguards sind ebenfalls verbaut. Außerdem verfügt das hintere Federbein über ein Hand-Drehrad für die Einstellung der Federvorspannung, sehr fein!
Serienmäßig ist zudem ein (bidirektionaler) Quickshifter in Verbindung mit einer Slipper-Kupplung an Bord.
Der höhere Einstiegspreis zur Honda relativiert sich somit recht schnell wieder. Für die richtig “Offroadigen” sei noch angemerkt, dass die Transalp einen geschweißten Heckrahmen hat, der von der Suzuki ist hingegen geschraubt.
Was fällt beim Aufsitzen auf? Bequemer Sitz, alles passt beim ersten Zugreifen.
Die Spiegel zeigen fast vollständig die Verkehrssituation hinter einem an und kaum die eigenen Schultern, sehr gut! Das ganze Cockpit liegt im Vergleich zur Honda etwas tiefer unten, dazu gibt es auch eine kürzere Scheibe, diese ist (unter Einsatz von Werkzeug) 3-fach in der Höhe verstellbar.
Im oberen Bereich der Scheibe ist ein Rohrbügel, um z.B. ein Navi zu befestigen, integriert. Seitlich am Cockpit gibt es zudem einen USB-A Anschluss, um mitgeführte elektronische Geräte mit Strom zu versorgen. Das hat bei unserem 9-tägigen Test mithilfe einer Powerbank als Verteiler für mein Smartphone und TomTom-Navi zuverlässig funktioniert.
Nun aber mal auf die Straße! Direkt nach dem Starten des Motors fällt der, im Vergleich zur Honda, deutlich dezentere Klang auf.
Das ändert sich auch über den ganzen Drehzahlbereich nicht. Der Antrieb ist sehr wohl hörbar, bleibt aber vom Pegel stets deutlich unterhalb der Transalp. Das merkt man auch bei den Daten zum Standgeräusch: Während die Honda hier mit 94 dB(A) recht nah an die “Tirol-Grenze” kommt, genügt der Suzuki heutzutage wirklich leise 84 dB(A).
Kaum in Bewegung gesetzt, zeigt der Motor direkt, was in ihm steckt: Er schiebt ordentlich nach vorne! Die Honda geht da im Drehzahlkeller deutlich dezenter ans Werk, will zudem auch gerne etwas höher gedreht werden.
Die Soundkulisse der Honda tut ihr übrigens dazu, dass die “gefühlten” Drehzahlen über den realen Umdrehungen liegen. Die V-Strom schiebt jedoch deutlich kräftiger aus niedrigeren Drehzahlen voran, hilfreich ist dabei aber sicher auch die etwas kürzere Gesamtübersetzung im Vergleich zur Transalp.
Insgesamt hängt die Suzuki allerdings einfach deutlich direkter am Gas, jede kleine Änderung am Drehgriff wird direkt und unmittelbar in Vortrieb umgesetzt. Der Quickshifter arbeitet dabei butterweich und insgesamt noch geschmeidiger als das Honda-Pendant, die Unterbrechungszeiten scheinen insgesamt bei der Suzuki kürzer zu sein. Auch runterschalten im Schiebebetrieb klappt wunderbar.
Mein persönlicher “Referenz-QS” von Triumph scheint hier wirklich Konkurrenz zu bekommen! Ganz hervorragende Technik.
Die Transalp lässt hingegen immer mehr ihre Muskeln spielen, je höher man im Drehzahlbereich kommt. Im oberen Bereich feuert die Honda dann ihre ganzen Pferdchen raus und das ist gerade im Vergleich zum eher etwas gemächlichen Antritt aus dem Drehzahlkeller ziemlich beachtlich. Wenn sie will, geht es also ordentlich voran.
Nun zur Unterbringung und Komfort auf der Reise. Mir persönlich gefällt auch die (im Vergleich zur Transalp) kürzere Scheibe sehr gut. Der Helm liegt gut im Wind, ohne von Turbulenzen geschüttelt zu werden. Ich persönlich habe gerne etwas Luft am/im Helm, besonders wenn es warm ist. Bei der Honda ist man recht gut von äußeren Einflüssen abgeschottet, auch hier gibt es keine Turbulenzen an der Kopfbedeckung.
Das Fahrwerk der V-Strom kommt “out of the Box” recht knackig daher. Auf überwiegend glatten Asphalt funktioniert das auch wunderbar, unterstreicht in Verbindung mit dem Antritt definitiv die sportlichen Ambitionen. Sobald das Geläuf rauer und rumpeliger wird (davon hatten wir auf unserer Reise auch diverse Abschnitte im Programm), wird die ganze Maschine aber schnell unruhig und etwas zappelig.
Hier hinterlässt die Transalp mit der deutlich komfortablen Grundabstimmung einen geschmeidigeren Eindruck. Das gleiche Bild bot sich uns abseits des Asphaltbandes. Wobei es sich hierbei um Schotterwege handelte, also nicht wirklich anspruchsvolles in Sachen “offroad”, auch wenn manche Bereiche recht locker waren und nicht wie meistens überwiegend festgefahren. Trotzdem wirkte auch gerade hier die Honda etwas souveräner. Das mag primär an dem deutlich niedrigeren Gewicht liegen, wohl weniger an der etwas ungewöhnlichen Reifenkombination von 21” vorne und 17” hinten. Wenn man das Suzuki-Fahrwerk gescheit einstellt, mag sich das Bild aber wenden, wer weiß.
Was fehlte auf der Reise? Für die großen Tourenfahrer wahrscheinlich ein Tempomat.
Für beide Modelle gibt es nämlich keinen, auch nicht auf Wunsch.
Bei der Honda haben wir im Cockpit eine Außentemperaturanzeige vermisst, Suzuki bringt diese mit. Dafür punktet die Transalp mit einer (ausschaltbaren) automatischen Blinkerrückstellung, die V-Strom kann das nicht.
Stattdessen reagiert ihr Display bei automatischem Wechsel von hell auf dunkel (z.B. im Tunnel) deutlich schneller als das der Transalp. Diese zeigt wiederum die Uhrzeit im 24h-Format an, während die V-Strom nur bis 12 zählen kann. Vormittags gibt es dann ein AM und nachmittags wird ein PM hinzufügt. Das ist übrigens bei (meiner) Yamaha auch so und ich werde es wohl nicht mehr verstehen, warum man das nicht einfach umstellen kann.
Die Transalp bietet im Cockpit-Setup unterschiedliche Skins an, so kann man den Look der Anzeige nach eigenem Geschmack auswählen.
Bei der V-Strom hat man diese Möglichkeit nicht, es bleibt bei heller oder dunkler (oder automatischem Umstellen der)
Anzeige. Einen großen Unterschied gibt es noch in Sachen Antriebs-Setup: Bei beiden Maschinen kann man Motorverhalten, Traktionskontrolle und ABS einstellen. Bei Suzuki das Ansprechverhalten (Kennlinie) des Motors, bei der Honda die Leistungsentwicklung und das Motorbremsmoment.
Bei der V-Strom sind diese Werte alle einzeln einzustellen (inkl. Gravel-Mode beim ABS), die Transalp fasst die Summe der Einzelwerte zu vordefinierten Fahrmodi zusammen.
Es gibt 4 vordefinierte Modi (Gravel, Standard, Sport und Rain) und zudem einen frei definierbaren User-Mode. Das ist heutzutage deutlich zeitgemäßer als ein Zusammenklicken der ganzen Einzelparameter.
Wenn ich von der Straße auf eine losere Schotterpiste abbiege, möchte ich mich nicht erst einzeln durch ABS, Ansprechverhalten und Traktionskontrolle drücken, um die bevorzugten Einstellungen parat zu haben. Einfach ins Menü, von Standard auf Gravel umstellen und fertig, so soll es sein.
Zu guter Letzt bietet die Transalp noch eine Smartphone-Connectivity, die über eine App hergestellt wird. Damit lassen sich einige grundlegende Funktionen nutzen, darunter auch eine (simple) Navigation (ohne Darstellung einer Karte). Das ist zwar nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber nun auch besser als Nichts.
Ansonsten hatten wir nicht wirklich viel zu meckern. Ganz im Gegenteil, mit beiden Maschinen hatten wir 10 Tage lang viel Spaß und beide zeigten sich als hervorragende Begleiter. In Sachen Verbrauch hatte bei uns die Honda etwas die Nase vorn. Bei unserer gesamten 2300km-Runde nahm sich die Transalp 4,1l/100km, die Suzuki brauchte 4,6l/100km. Die V-Strom hat allerdings den größeren Tank (20l zu knapp 17l), doch mit beiden Maschinen hätten wir Reichweiten von jeweils gut 400km gehabt.
Dabei zeigten sich trotz der Ähnlichkeit auf dem Papier im Detail doch recht deutliche Unterschiede beim Fahren.
Die Suzuki betört mit ihrem kräftigen und sehr direkten Vortrieb, auch aus dem Drehzahlkeller. Das knackige Fahrwerk unterstützt auf guten Straßen den sportlichen Charakter.
Die Transalp geht stets etwas gedämpfter ans Gas und braucht auch ein wenig mehr Drehzahl. Wird sie aber “losgelassen”, lässt sie ihre Muskeln spielen! Dazu liefert ihr Auspuff die passende Klangkulisse, sofern man dies denn mag.
Es bleibt alles im Rahmen, aber wirklich dezent ist der Sound nicht, die V-Strom ist da deutlich unauffälliger für die Umwelt.
Auch nach Abstechern abseits der Straßen hinterließ die Honda insgesamt ein etwas runderes "out-of-the-box" Gesamtbild, es war alles immer stets etwas komfortabler und handlicher. Die Transalp ist halt auch deutlich leichter. Zudem ist sie in Sachen Cockpit/Einstellungen etwas "weiter gedacht".
Verschiedene Skins zur Auswahl und fertig vordefinierte Fahrmodi sind heutzutage auch keine wirkliche Zauberei mehr.
Die Suzuki bietet aber mit dem voll einstellbaren Fahrwerk sicher für ambitionierte Piloten noch mehr Reserven und Möglichkeiten.
Ihr Motor macht definitiv an und ist ein richtiger Spaßantrieb,
der einem das Grinsen unter den Helm zaubert. Der Quickshifter harmoniert zudem bestens damit. Der aufgerufene Mehrpreis (ab 11.500€ zzgl. Nebenkosten) relativiert sich anhand der zusätzlichen Ausstattung im Vergleich zur Honda (ab 10.790€ zzgl. Nebenkosten).
Schaue ich genauer auf den Preis und will "wie hingestellt" Spaß haben, dann ist man bei der Transalp definitiv richtig.
Mag ich den starken Antritt aus dem Keller, stehe auf das etwas mehr an Ausstattung und möchte zudem das Maximum aus dem Fahrwerk herauskitzeln, sollte der Blick vielleicht zur V-Strom gehen.
Definitiv macht man mit keiner der beiden Maschinen etwas falsch! Tolle, vielseitige Motorräder für überschaubares Geld.