Modellpflege (im Detail )
Als Käufer hat man die Wahl zwischen vier Versionen Der Honda. Zwei Versionen sind ohne das elektronische Fahrwerk von Showa „Electronically Equipped Ride Adjustment“ (EERA) ausgestattet, weitere zwei mit diesem Fahrwerk. Des Weiteren kann eine Wahl zwischen dem komfortorientierten DCT Getriebe (Doppelkupplungsgetriebe) oder einem sequentiellem 6- Gang Getriebe. Ich habe mich dazu entschlossen dem DCT im späteren Verlauf dieses Testberichtes eine separate Überschrift zu gewähren - Aus gutem Grund!
Ganz gleich wofür sich der Käufer entscheidet, die Africa Twin ist konstant mit dem ‚Euro 5‘- konformen Zweizylinder Reihenmotor ausgestattet. Diese bietet dadurch 1084cm³, wodurch das Drehmoment um 5NM erhöht und die Leistung ebenfalls um 5 PS gesteigert wird.
Eine weitere Verbesserung konnte durch eine überarbeitete Drosselklappe (zweimal 46mm) erreicht werden, welche eine präzisere Gasregelung ermöglicht. Hinzu kommt, dass das Klappen- Abgassystem modifiziert wurde und schlussfolgernd in einer Gesamtleistung von 102 PS und 105NM mündet.
Neuerdings werden neue LED-Doppelscheinwerfer inklusive Tagfahrlicht (kurz DLR) eingebaut. Die Lichtintensität wird hier durch einen Sensor dynamisch an das Umgebungslicht angepasst. Darüber hinaus gibt es ein Kurvenlicht, welches ebenfalls dynamisch nach Geschwindigkeit und Schräglage agiert, um eine optimale Ausleuchtung der Umgebung zu gewährleiten.
Hinzufügend können die neuen Doppelschleifen- Stahlrohrrahmen erwähnt werden, bei dem die vorderen Querstreben nun nicht mehr sichtbar sind. Laut den Aussagen von Honda, führt dies zu einem steiferen Rahmen, da hier ‚geradere‘ Hauptholme verwendet werden. Daraus ergibt sich ein netter Nebeneffekt: Es können 1,8kg Gewicht eingespart werden. Ebenfalls neu ist der Heckrahmen aus Aluminium, der angeschraubt ist und ebenfalls zu einer kleinen Gewichtsersparnis von ca. 0,5kg führt.
Weitere Neurungen werden im späteren Verlauf des Testberichtes behandelt.
Motor
Here it Comes:
Das Herzstück! Ein überarbeiteter 270°C Reihen- Zweizylinder. Laut Informationen seitens Honda ist es der erste ‚Euro 5‘- konforme Motor überhaupt.
Er ist sehr linear abgestimmt und ist auf ‚Fühlebene‘ über das gesamte Drehzahlband absolut kontrollierbar. Der Durchzug ist ausreichend, um Autos zügig und souverän zu überholen. Im Reisebetrieb mit Sozius und Gepäck ist der Durchzug in den meisten Situationen ebenfalls ausreichend.
Hierzu aber nochmals erwähnt, wir Fahren mit DCT- Getriebe und diese selbstredend etwas Träger ist als jene mit einem herkömmlichen Getriebe.
Zu niedrige Drehzahlen führen zu unangenehmen Vibrationen im gesamten Fahrzeug. Im normalen Landstraßenbetrieb ist die Africa Twin überaus zureichend motorisiert. Im mittleren Drehzahlbereich ist die Komfortzone des Antriebes, im oberen Drehzahlbereich kann der Antrieb nicht glänzen, ist jedoch ausreichend, um nach vorne zu kommen. Der Motor ist durchweg passend zum Konzept der Africa Twin und die ‚Euro 5‘- Hürde wurde von Honda perfekt gemeistert. Ein Aspekt ist zusätzlich häufig positiv aufgefallen: Der Sound! Wir konnten vorab schon ein anderes Testbike - nach neuster Abgasnorm- heranziehen, wodurch das ‚Euro 5‘- Schreckgespenst immer aktueller wird. ABER: Honda zaubert hier aus dem Motor mit Original- Auspuff wirklich pure Freude aus dem Hut!
Doppelkupplungsgetriebe (DCT)
Das DCT Getriebe ist eine Sonderausstattung und besitzt zwei Automatikmodi. Wahrscheinlich werden viele jetzt die Augenbraun hochziehen oder sich sogar an die Stirn fassen, wenn sie ‚Automatik‘ lesen. ABER so viel vorweg: Es ist nahezu perfekt umgesetzt!
Für alle, die mehr Wissen wollen: Keep on reading!
Es ist kein klassischer Kupplungshebel mehr an der linken Lenkerseite, sondern nur ein Hebel als Parkbremse, zu finden.
Wie vorab bereits erwähnt, gibt es zwei Modi dieser Automatik. Der D-Modus wird durch einmaliges Drücken der A/M- Taste an der rechten Lenkerseite aktiviert.
Das Getriebe legt den ersten Gang ein und öffnet die Kupplung sobald ein leichter Gas- Impuls erfolgt und schon rollt das Motorrad sehr sanft und absolut ruckelfrei.
Meines Erachtens funktioniert dies besser als so manches Doppelkupplungsgetriebe anderer deutscher Hersteller in sämtlichen PKWs. Wenn der Gasgriff geschlossen ist und ein weiteres Mal die A/M- Taste gedrückt wird, befindet sich das Getriebe im S-Modus, der insgesamt drei sportliche Schaltmuster bietet.
Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Stufen Auswirkungen auf die Gänge haben, indem sie länger ausgedreht und früher zurückgeschaltet werden. Dies hat den Vorteil, dass der Motor auf einer höheren Drehzahl gehalten wird, falls es mal sportlicher zugehen soll.
Auch im Soziusbetrieb ist der S-Modus angenehmer, da es fast keine Vibration im Motorrad gibt. Ich persönlich habe das Motorrad fast ausschließlich im S-Modus bewegt, weil der D-Modus zwar im Solobetrieb funktioniert, jedoch für Fahrten mit Sozius etwas zu früh hochschaltet und man sich oftmals in einer " für mich " zu niedrigen Drehzahl befindet. Hierdurch ist die Fahrbarkeit mit Sozius weder komfortabel noch zuträglich.
Ein weiteres, wichtiges Detail ist, dass das DCT Getriebe erkennt, wenn der Fahrer explosiv vorwärtskommen will und den Gasgriff schlagartig auf ‚Vollgas‘ dreht. Hier schaltet das Getriebe - ähnlich wie im Auto – bei einem Kickdown zurück, um einen maximalen Vortrieb zu generieren. Man hat aber konstant die Möglichkeit den Gangwechsel über den Schalthebel an der linken Lenkerseite mittels Daumen und Zeigefinger manuell zu beeinflussen. In der überarbeiteten DCT Elektronik wird sogar die Schräglage, die von der IMU übermittelt wird, in die Strategie der Gangwechselarbeit mit einbezogen.
Im Offroad Modus ist das Getriebe in der Lage über den sogenannten G-Schalter den Kupplungsschlupf dynamisch anzupassen, wodurch das Motorrad im Getriebe direkter anspricht. Die ausgesprochen gute Funktionalität hat mich wirklich überrascht und zugleich beeindruckt. Am Anfang - insbesondere im Offroad Bereich- muss man sich erst daran gewöhnen, dass man nicht ständig eigenmächtig mit der Kupplung arbeitet. Auf der Straße ist dies jedoch innerhalb kurzer Zeit schon automatisiert, da es im Stadtverkehr oder auf seiner längeren Urlaubstour sehr angenehm ist. Ich erachte das DCT Getriebe als einen deutlichen Komfortgewinn. Die Schaltvorgänge sind fast ausschließlich ruckelfrei und beim ‚Herunterschalten‘ wird automatisch ein Zwischengas- Impuls gegeben, welches ebenfalls einen enormen Komfort ausmacht.
Ebenfalls ein , sehr willkommener Nebeneffekt ist, dass sich dieser ‚Zwischengasstoß‘- Sound in Verbindung mit dem Auspuff der Honda Africa Twin hervorragend anhört. Meine kleinen Zweifel, Vorurteile oder Skepsis im Vorfeld wurden komplett (!) beseitigt und ich plädiere für einen Kauf der Africa Twin mit DCT Getriebe.
Zum Schluss sollte jedoch erwähnt werden, dass dieses Getriebe ca. 10kg mehr an Gewicht aufweist als das herkömmliche Getriebe und dadurch einen größeren Verlust im Antriebsstrang aufweist.
Jedoch ein kleiner Hinweis am Ende: Optional kann sogar ein Fußhebel bestellt werden, womit das DCT- Getriebe in gewohnter Weise mit dem Fuß manuell geschaltet werden kann.
Fahrwerk & Fahrverhalten
Die Einstellmöglichkeiten des elektronischen Fahrwerks von Showa (EERA) sind vielfältig und erfordern etwas Einarbeitung seitens des Besitzers. Einmal verinnerlicht möchte man diese Möglichkeit vermutlich nicht mehr missen.
Es gibt grundsätzlich 4 Kennfelder in den jeweiligen Fahrmodi namens Tour, Urban, Gravel und Offroad.
Die Dämpferrate wird in zügigen 15 Millisekunden angepasst, wodurch es einwandfrei funktioniert. Es klingt unspektakulär, ist dafür aber durchweg transparent spürbar für den Fahrer. Die meisten Besitzer werden vermutlich erstmal mit dem Tour- Modus starten, bei dem man zunächst die Federvorspannung im Stand mithilfe der vollautomatischen Einstellung per Touchscreen anpassen sollte. Es gibt die Möglichkeit der elektrischen Federvorspanngsanpassung auf Solo, Sozius und Soziusbetrieb mit Gepäck.
Danach hat man ein sehr direkt reagierendes Fahrwerk, welches Bodenwellen und Schlaglöcher sehr gut dämpft, jedoch gleichzeitig auch ein gutes Feedback der jeweiligen Bodenbeschaffenheit abgibt. Selbst bei starken Bremsmanövern reagiert das elektronische Fahrwerk schnell, um ein zu tiefes eintauchen der Front schnell zu kompensieren. Der Mittelweg zwischen straff und dennoch komfortable ist für ein Fahrwerk hier überdurchschnittlich gut.
Diese verlässliche und sichere Funktion agiert deshalb so gut, da Honda sowohl hinten als auch vorne sogenannte Hubsensoren am Fahrwerk verbaut hat. Des Weiteren gibt es Sensoren, die das Gewicht messen und anschließend alle Daten komprimiert in der IMU verarbeitet werden, bevor sie danach mit der Elektronik des Fahrwerks kommunizieren, um so die Regelung der Fahrwerkskomponenten dynamisch anzupassen- Wow! Klingt sehr komplex und fortschrittlich, wird jedoch im Laufe der Zeit mehr und mehr aufzufinden sein. Neben den vier Automatikmodi besteht noch die Möglichkeit, die Fahrwerkseinstellungen lückenlos nach eigenem Wunsch zu konfigurieren. Dafür stehen zwei frei einstellbare Benutzermodi bereit. Dort können alle Einstellungen zum Fahrwerk individuell abgespeichert werden.
Ich würde in dieser Fahrzeugkategorie jedem zu dem elektronischen Fahrwerk raten!
Bedienkonzept und Elektronik
Das ‚Gehirn‘ der Africa Twin Adventure Sports - die sechsachsige inertiale Messeinheit IMU – überwacht stetig alle dynamischen 3D- Bewegungen in Echtzeit. Sie ist zuständig für die 7- stufige Honda Selectable Torque Control (HSTC),
die Wheelie Control (3- stufig), die Motorleistung und die Motorbremse (jetzt 3- stufig). Alle Funktionen können über den neuen 6,5- Zoll Touchscreen konfiguriert werden, sogar mit Handschuhen.
Wenn ihr wissen möchtet, was euch im Detail "im und am" neuen Display erwartet?
dann drückt doch einfach mal auf Play!
Die Bedienung des Touchscreens wird aus Sicherheitsgründen nur freigeschaltet, wenn das Fahrzeug auf der Stelle steht. Dies erscheint mit sehr sinnvoll, um den lebenswichtigen Blick nicht von der Straße zu nehmen😉. An den Fahrassistenzsystemen hat Honda nicht gespart, da die Traktionskontrolle
HSTC in den Stufen 1 bis 4 schnell und sanft, aber nicht ruckartig geschieht. Die Regeleingriffe sind in ihrer Intensität sehr fein abgestuft, sodass kein Unterschied zwischen Stufe 1, 2, 3 oder 4 festzustellen ist. Die Stufen 5 bis 7 sind in ihrer Abstufung grobmaschiger, wodurch ein Unterschied sofort spürbar wird.
Viel Freude bereitet die Tatsache, dass es für jeden Untergrund die richtige Einstellung gibt, welches ich als großen Vorteil verbuche. Die 3- stufige Wheelie Control agiert unaufgeregt und kontrollierbar, da der Neigungswinkel und die Raddrehzahlen ständig miteinander verglichen werden. So erhält man nach kurzer Zeit und kurzem Test auf einem abgesperrten Testgelände die perfekte, persönliche Einstellung auf dem Bike. Das ABS arbeitet sportlich und greift später ein als ich anfangs vermutete.
Ich bezeichne es genau aus diesem Grund als sehr gelungen. Es verfügt erweiternd über eine Abhebeerkennung des Hinterrades, welches natürlich eine sportliche Abstimmung erlaubt. Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit das ABS am Hinterrad im Offroad Modus zu deaktivieren. Die Africa Twin verfügt auch über ein Kurven- ABS, welches ich aber bewusst nicht testen wollte.
Ich hoffe ihr verstehet meine Bedenken😉.
Ich habe mir dennoch sagen lassen, dass es schräglagenabhängig agiert und sich ebenfalls sämtliche Daten hierzu aus der IMU einholt.
Die Bedienung per Touchscreen erfordert etwas Eingewöhnung, welches jedoch der Komplexität und Vielfältigkeit aller Einstellungsmöglichkeiten geschuldet ist. Einige Aspekte müssen anfänglich im Handbuch nachgeschlagen werden, wobei viele Inhalte schnell verinnerlicht sind.
Von Vorteil sind hier wieder beide Benutzermodi, in denen man sich in aller Ruhe seine favorisierten Einstellungen der Elektronik abspeichern kann. Ebenfalls ist es möglich über die linke Lenkerarmatur durch den gesamten Bildschirm zu switchen und sämtliche Einstellungen vorzunehmen. Die Bedienung ist intuitiv und nach kurzer Zeit verständlicher. Dennoch: Hier besteht durchaus noch etwas Potenzial zur Verbesserung. Ich selber habe das meiste im Stand per Touchscreen konfiguriert und anschließend abgespeichert, sodass durch die Modi geswitched werden kann. Das Display ist außerdem bei direkter Sonneneinstrahlung hervorragend abzulesen.
Als unausgereift empfinde ich die Position und Größe des Blinker- Schalters, da die Wippe etwas größer und besser fühlbar sein sollte, insbesondere dann, wenn Handschuhe getragen werden. Das große Display verfügt über
Apple CarPlay®. Dazu muss das iPhone® nur an die USB- Buchse der rechten Seite angeschlossen werden. Diese Funktion muss ich in diesem Testbericht leider unberücksichtigt lassen,
da Android Geräte außer Acht gelassen werden und demnach kein Endgerät zur Verfügung stand. Hier sehe ich ebenfalls großen Verbesserungsbedarf, um auch eine größere Verbrauchergruppe erreichen zu können.
Reisetauglichkeit
Um die Reisetauglichkeit individuell anzupassen gibt es im offiziellen Zubehör von Honda zwei unterschiedlich Hohe Sitzbänke. Eine der beiden Sitzbänke verringert die effektive Sitzhöhe um ca. 30mm. Die andere erhöht die Sitzposition um ca. 30mm. Ich bin ca. 180cm groß und komme problemlos einen kompletten Tagesausflug ohne Veränderung damit zurecht. Dieses Motorrad bietet hervorragende Langstreckenqualitäten, es ist absolut konfliktfrei ca. 500km (auch im Soziusbetrieb) an einem Tag zurückzulegen. Durch das höhenverstellbare Windschild kann jedem Fahrer auf individuelle Bedürfnisse eingegangen werden und es bietet zusätzlich auch bei schlechtem Wetter ausreichend Schutz für eine Fahrt im Regen.
Fazit
Im neuen Modelljahr entwickelt Honda die hervorragende Africa Twin konsequent weiter und verbessert vorhandene Eigenschaften spürbar.
Der Motor ist wirklich nahezu perfekt für dieses Fahrzeugkonzept geeignet und erfüllt seinen Job noch souveräner als der Vorgänger, welches auch mit der Mehrleistung zusammenhängt.
Die Neuerung im Bereich des elektronischen Fahrwerks und der neuen Generation des DCT- Getriebes, setzen dem Gesamtkonzept die Krone auf. Das verringerte Gewicht war für mich nicht spürbar, weshalb dieser Aspekt trotzdem nicht als negativ bewertet werden kann.
Bei einem Gesamtgewicht von 238kg (vollgetankt) ist so eine Verringerung nur schwer zu spüren. Bei der Konnektivität sehe ich Verbesserungspotenzial und hoffe somit, dass das nächste Modelljahr auch für Android- Besitzer eine Möglichkeit der Navigation bereithält, um kein Zusatzhalterung extra am Lenker befestigen zu müssen, sondern das hervorragend- ausgearbeitete Display direkt nutzen zu können. Die Africa Twin festigte bei mir nach kurzer Zeit den Eindruck, dass es sich um ein durchdachtes und fertig entwickeltes Motorrad handelt. Wer ein nahezu perfekt funktionierendes, alltagstaugliches sowie für Reisen geeignetes Motorrad sucht, sollte sich die voll ausgestattete Version unbedingt für eine Probefahrt ausleihen, um meine Euphorie nachempfinden zu können.
Euer Christopher