BMW F900XR Testride
Text: Torsten Thimm
Kommt nach Spanien haben Sie uns gesagt, da blühen die Mandelbäume und die Sonne scheint haben sie gesagt. Was uns allerdings an diesem Januarmorgen erwartet kommt so gar nicht den gewünschten und versprochenen Erwartungen nahe. Vier Grad Celsius und Regen sind die Realität als wir die Maschinen besteigen und losfahren. Hey Petrus, wir sind in Spanien und super da ist ja der Knopf für die optionale Griffheizung schießt es mir durch den Kopf! Doch schon auf den ersten Metern rückt das Wetter bereits in den Hintergrund denn schnell wird mir klar, dass BMW eine neue und vor allen Dingen starke Mittelklasse geschaffen hat, die mit der F 900 XR viele Fahrerpunkte einer Maschine dieser Klasse vereint. Daher nehme ich euch jetzt auch mit auf meine kleine Tour rund um Almeria, denn auch wenn es regnet blühen die Mandelbäume und die Natur zieht dich in ihren Bann.

Rasch liegt das Hotel und die Stadt hinter uns und verschwindet in den breiten Rückspiegeln. Nach einem kurzen Teilstück Autobahn auf dem man dem optionalen Schaltassistenten mal auf den Zahn fühlen kann und die Verkleidungsscheibe einfach per Einhandhebel in die obere Position bringt, beginnt das eigentliche Kurvenrevier des kleinen Crossovers. Und schnell wird dabei klar, der Anspruch, den sich die BMW-Ingenieure gesetzt haben, ist hoch.
Die auf der Basis des ebenfalls neuen F 900 R Roadsters aufbauende F 900 XR vereint die Handlichkeit der Nackten R mit einem kompromisslosen Zusammenspiel aus Sportlichkeit und Tourentauglichkeit, wie man es bisher bei BMW nur von der S1000XR kannte. Die wiederrum spielt natürlich ihr Lied in einer anderen Klasse, wodurch die kleine XR ein ganz eigenständiges Model wird, dass faktisch für jeden passt. Mit Sitzhöhen von 775mm bis 870mm zeigt BMW deutlich den variablen Anspruch dieses Multitools. Man will es vielen Körpergrößen recht machen und so wird Komfort von Beginn an großgeschrieben.
Denn bereits in der Standardsitzhöhe (825mm) ist der Kniewinkel bei 170mm Körperhöhe sehr entspannt und der breite Lenker liegt durch die aktive Sitzposition dynamisch in der Hand. Dabei rollt die XR gemütlich am Gas hängend, im eingestellten Rainmodus über die Landstraße. Deutlich spürt man beim Beschleunigen die gedämpfte Gasannahme des sonst pfiffigen Reihentwins mit seinen 105 PS und 92 Nm bei 6500 Umdrehungen. Eine A2 taugliche Variante wird hier natürlich auch angeboten die 95PS bzw. gedrosselte 48PS leistet. Wie sein Vorgänger verfügt der neue Motor über einen Hubzapfenversatz, was einen V2 vortäuscht und klanglich trotz Euro 5 Norm das Motorrad immer noch nach etwas klingen lässt. Dabei verhält er sich sowohl im kalten wie auch im warmen Zustand sehr freundlich und überzeugt mit wenig bis keinen Lastwechseln. Ausgestattet mit zwei Standardridingmodes, Rain und Road, mit ABS und ASC hat man so schon einmal ein sehr gutes Basisbike.
Doch wäre BMW nicht BMW, wenn nicht mehr möglich wäre. Optional sind daher weitere elektronische Updates verfügbar, die das Fahrgefühl der F 900 XR intensivieren. Die als Dynamic und Dynamic Pro bezeichneten Modes konnten wir an den voll ausgestatteten Maschinen ebenfalls nach und nach mit abtrocknender Straßen testen, wobei hierbei ASC die einfache Tracktionskontrolle von BMW zu DTC der dynamischen Traktionskontrolle wird und ABS zu ABS-Pro (Kurven ABS). Weiters kommen, die dynamischen Brems- und Motorkontrolle DBC und MSR hinzu. Zweitere soll das Stempeln des Hinterrades bei abrupter Gaswegnahme verhindern. Kraftvoll schiebt der Twin dabei in den Dynamic Modes bereits aus dem Keller voran und lässt keinerlei Wünsche offen.
Ja im Pro Modus kann der geneigte Fahrer sogar alle Systeme seinem eigenen Gusto anpassen. Wie sinnvoll das in der Realität sein mag ist aber erst einmal dahingestellt, da wir immer noch von einem Touringbike und nicht von einer Rennmaschine für den track sprechen.
Almerias Hinterland
So geht es also durch das bergige Hinterland, dessen Ausblicke und Landschaften auch bei nicht so gutem Wetter zu überzeugen wissen. Mittlerweile ist der Regen aber zum Glück auch ein paar blauen Flecken am Himmel gewichen. Mit den trocknenden Straßen wird jetzt die Geschwindigkeit flotter und eins ums andere Mal kicke ich den Schaltassistent mit Blibberfunktion hoch bzw. runter. Nicht falsch verstehen, schaltfaul fahren geht ausgezeichnet, jedoch wenn es feurig voran gehen soll, ist manchmal ein kick nach unten der richtige Weg um das Lächeln unterm Helm zu einem Lachen werden zu lassen.
Das neu entwickelte Chassis arbeitet dabei erfreulicherweise wunderbar unaufgeregt, soll heißen es ist schön steif. Zudem lässt die einteilige Sitzbank dem Fahrer genug Bewegungsfreiraum, was die Handlichkeit der eh schon leichten Maschine (219kg fahrfertig) noch erhöht. Dabei nimmt die nicht einstellbare USD-Gabel einen Großteil der Straßenunebenheiten auf und ist wirklich niemals mit den Gegebenheiten überfordert, während man das ESA gesteuerte Federbein je nach Beladungszustand für eine straffe Hinterhand elektronisch anpassen kann.
Touring Modus
Eine nach der Anderen Kurve fegt so an uns vorbei, wobei die XR dabei gerade auf den engen Straßen ihre Handlichkeit voll ausspielt. Ein Part, der sicherlich auch jeden Tourenfahrer begeistern wird, denn neben ihren sportlichen Attributen kann sie auch das Touren ganz ausgezeichnet. Platz für zwei Personen kein Problem, längere Strecken ohne Schmerzen am Gesäß kein Problem und mit einem Tankinhalt von 15,5 Litern und einem gemessenen Verbrauch von 4,4-4,8 Litern sind Reisereichweiten am Stück auch kein wirkliches Problem. Unterstützt wird der Fahrer dabei sowohl durch modernste LED-Lichttechnik mit adaptivem Kurvenlicht, was die aktive wie auch die passive Sicherheit merklich erhöht und nicht zuletzt auch durch das 6,5 Zoll große TFT-Farbdisplay, das neben den üblichen Anzeigeelementen, ähnlich wie das der S1000RR diverse Daten wie Schräglage, Beschleunigung, oder auch die Bremskraft weitergibt. Natürlich kann das TFT auch mit der BMW-Motorrad Connected APP verknüpft werden. Auf diese Art und Weise wird die Navigation, oder das hören von Musik mit dem Handy zum Kinderspiel, ebenso wie das Festhalten der gefahrenen Daten, wenn man das möchte. Sicherheit steht ganz weit vorne und auch für den wirklichen Notfall hat man vorgesorgt, denn an der rechten Bedieneinheit findet man den SOS-Knopf, der im Falle eines Unfalles Leben retten kann. Der optional erhältliche Tempomat rundet das technische Reisepaket des Motorrades nach oben hin ab. Doch auch in Sachen Gepäck hat man bei BMW vorgesorgt. Denn was nutzt ein Crossover ohne passenden Stauraum? Zur Verfügung stehen eine 40 und eine 50 Liter Gepäckrolle, diverse hauseigene Tankrucksäcke und Softbags mit 30-55 Litern Fassungsvermögen, so wie auch ein Topcase mit 30 Litern inklusive der passenden Halterungen.
Alles hat ein Ende
Und so endet auch diese Testfahrt nach einer schönen Tour durchs spanische Hinterland am Nachmittag wieder im Hotel. Selten habe ich in so viele zufrieden dreinschauende Gesichter gesehen wie in dem Moment als die Motoren schwiegen und die Helme abgesetzt waren. Hat BMW ein gutes Motorrad gebaut? Ja das haben sie, und zwar eins das mit wenig Makel in die touristische Mittelklasse einsteigt. Für mich ist diese Mittelklasse eine der besten Möglichkeiten für die Hersteller Kunden von sich zu überzeugen, denn hier tobt der Ausstattungskampf. Und BMW wird mit der F 900 XR sicherlich sehr weit vorne sein, denn für den Basispreis von 11.400 Euro bekommt man schon ein sehr gutes Motorrad, das mit allen Paketen (es sind vier Stück) am Ende bei knapp 14.000 Euro landet.
Packetliste:
Dynamic Package
Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht, Tagfahrlicht und Schaltassistent Pro.
Active Package
Fahrer Modes Pro, DTC, MSR, DBC und ABS-Pro, Kofferhalter und Heizgriffe
Comfort Package
Keyless Ride, Hauptständer, Dynamic ESA
Touring Package
Navigationsvorbereitung und Tempomat
Fazit
Mein Fazit ist daher ein wirklich Gutes, denn sieht man einmal davon ab, das man den Schaltassistenten erst ab dem dritten Gang richtig sauber benutzt, könnte man als einzigen negativen Gesichtspunkt BMW vorhalten das sie wie andere Hersteller auch viele aufpreispflichtige Optionen anbieten. Da die Maschine aber schon in der Grundversion sehr gut ausgestattet ist, und zudem 3 Jahre Garantie mit angeboten wird fällt dieser Kritikpunkt für mich ganz eindeutig raus. Bleibt am Ende ein toller Tag mit einem echt gelungenen Motorrad und blühenden Mandelbäumen in Spanien.
In diesem Sinne #makelifearide den #lifeisaride
Torsten Thimm





