Modellpflege
Ducati hat der ‚kleinen‘ Panigale nochmals einige Updates spendiert.
Angefangen über eine 6-achsige Bosch IMU der neuesten Generation, die sowohl ein Kurven ABS (ABS Cornering EVO), als auch eine fein ansprechende Wheelie- Kontrolle (Ducati Wheelie Control EVO „DWC“) sowie eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle (Ducati Traction Control EVO 2 „DTC“ ) ermöglicht.
Das elektronische Paket weist auf: Ducati Quick Shift up/down EVO 2 (DQS) - der neue Maßstäbe im V2 Sektor setzt - Engine Brake Control EVO (EBC), Ducati Lap Timer GPS (DLT GPS), Riding Modes und optional Ducati Multimedia System (DMS), Ducati Data Analyser + GPS (DDA GPS).
Man kann erkennen: Es wurde auf den aktuellsten Entwicklungsstand gebracht. Weiterhin gibt es ein 4.3 TFT Kombiinstrument, welches nicht nur die Menüführung der V4 aus gleichem Hause inne hat, sondern auch das gesamte optische Erscheinungsbild, dass deutlich an die große Schwester angelehnt ist - inklusive der Einarmschwinge! Das Chassis und die Ergonomie wurde laut Ducati für den Landstraßenbetrieb optimiert – Wir sind mehr als nur gespannt!
Zweizylinder-Superquadro-Motor
Ducati hat seinem neuen V2 Sprössling ein kultiviertes 955cm³ und 90° V-Aggregat spendiert,
dass mithilfe des individuell- einstellbarem Motormanagement ein berechenbares Gefühl vermittelt und den Piloten sehr schnell Vertrauen aufbauen lässt.
Wie die Leistungsangaben schon vermuten lassen (155Ps bei 10.750U/min und 104Nm bei 9.000 U/min), ist der verbaute Twin nicht nur drehzahlfreudig, sondern bei entsprechender Gangart auch drehzahlfordernd.
Wer es also sportlich angehen lassen möchte, kommt um ein permanentes Ausdrehen des Motors nicht herum – ähnlich eines 600cm³ Supersportlers. Der neue Euro 5- Standard wird seinen Beitrag zu diesem Charakterzug geleistet haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man den mittleren Drehzahlbereich nicht nutzen könnte.
Hier bietet der V2 ausreichend Druck, um im Verkehr mitfließen zu können und auch vereinzelt ein Auto zu überholen. Lediglich Drehzahlen im Bereich unter 4500U/min wird von der roten Dame aus Bologna gänzlich, nicht gemocht.
Dies gibt sie dem Piloten zu verstehen, indem sie sich mit kettenschlagen und einem ‚unrunden‘ Motorlauf bemerkbar macht.
Wie auch viele anderen Euro 5 Homologierten Fahrzeuge, wird auch von diesem Motor ein leichte Lastschlag beim Gas anlegen abgegeben, welcher in Schräglage nicht optimal ist, jedoch konstant berechenbar bleibt und sich im Rahmen hält.
Hier kann man sicherlich mit einem anderen Mapping nachhelfen.
Die einzelnen Gänge des Getriebes sind Zweizylindertypisch relativ kurz ausgelegt.
Ergonomie & Fahrverhalten
Panigale- paradigmatisch ist auch die V2 eher Vorderrad- lastig konstruiert und der Pilot sitzt charakteristisch vorderradorientiert auf dem Motorrad.
Der Sitz wurde im Vergleich zur V4 leicht aufgepolstert, wodurch er merklich bequemer wird.
Der Tank ist sehr schmal und bietet - passend zum Konzept- sehr viel Platz zur aktiven Gewichtsverlagerung in Kurven.
Die Lenkerstummel sind sehr breit gebaut und stehen relativ weit vorne, was ihre sportliche Ausrichtung zusätzlich unterstreicht.
Ducati lässt hier keine Zweifel offen, dass man auf einem radikalen Supersportler sitzt, der artgerecht bewegt werden möchte.
Die insgesamt hohe Sitzbank, in Kombination mit den tief stehenden Lenkerstummeln, sorgen dafür, dass der Fahrer einen großen Teil seines Körpergewichts mit dem Oberkörper halten muss.
Trotz ihrer ausgeprägten Agilität möchte die Ducati von einem dominanten Fahrer eine Richtung vorgegeben bekommen.
Dabei neigt sie in Schräglage dazu über die Längsachse zu pendeln, insbesondere während man tief in Kurven hinein bremst.
Sie ist eben eine echte Diva mit Charakter, die ihren Piloten physisch deutlich fordert.
Das bedeutet jedoch nicht, dass man die rote Panigale nicht auch im Stadtverkehr bewegen könnte.
Sie macht jedoch kein Geheimnis um ihre sportliche Herkunft.
Darüber hinaus macht sich bei geringen Geschwindigkeiten und höheren Außentemperaturen die aufsteigende Motorwärme deutlich bemerkbar,
die der hintere Zylinder und die Krümmerbiegung unter dem Fahrersitz abstrahlen.
Fahrwerk
Ducati setzt bei der Panigale eine voll einstellbare Showa Big Piston Fork (vorne) und einen voll einstellbaren Sachs Dämpfer (hinten) ein.
Diese sind überraschenderweise tatsächlich komfortabel abgestimmt und kompensieren unbeeindruckt einige Bodenwellen auf diversen Landstraßen.
Hier wurde bei der Abstimmung der Schwerpunkt auf den Alltag gelegt, was den zuständigen Ingenieuren wahrhaftig gut gelungen ist.
Durch die voll einstellbaren Komponenten, die gut auf Setting- Änderungen reagieren, kann man einen breiten Anwendungsbereich abdecken und bekommt die Dämpfung - falls gewünscht - auch noch sportlicher hin.
Bei unseren Testfahrern, die fahrfertig 80- 105Kg auf die Waage bringen, ist bei sehr ehrgeiziger Gangart viel Bewegung im Fahrwerk. Die konnten wir durch Nachstellung zwar verringern, aber nicht beseitigen. Wir gehen daher von aus, dass ambitionierte Fahrer, die regelmäßige Rennstreckenaufenthalte planen, das Fahrwerk überarbeiten müssen oder dies durch Zubehör zu ersetzen lassen.
Bremsen
Ducati setzt bei ihrer 955 Kubikzentimeter Panigale auf Brembo M4 Monoblocksättel mit 32mm Kolben,
die ihren Druck auf 320mm Bremsscheiben abgeben.
Hinten wurde ein einzelner Brembo- Sattel verbaut, der seine Arbeit auf einer 245mm Scheibe verrichtet.
Das gesamte Bremssystem ist Ducati- klassisch schön zu dosieren - vorne wie hinten. Auch die gewählte Reibpaarung aus Bremsscheiben und -belägen funktioniert in einem breiten Temperaturfenster, auf nassen oder trockenen Straßen absolut tadellos.
Wir hätten uns an der Vorderrad- Bremse allerdings etwas weniger leer- Weg bis zum Druckpunkt gewünscht.
Dieser Umstand findet seine Herkunft jedoch in einem langen Leitungssystem - bedingt durch das ABS. Die Zweizylinder- Panigale bietet zudem ein phänomenal- arbeitendes ABS, das für jedes Fahrprofil eine Einstellung bietet.
Angefangen von einem konservativ- arbeitenden Regel- Modus, der weder ein blockierendes noch ein steigendes Hinterrad zulässt,
inklusive Kurven ABS.
Ein weiterer Modus ist solch einer, der für ambitioniertere Fahrer Slides am Hinterrad erlaubt, die in Abhängigkeit zur Schräglage gesteuert werden! Genauer gesagt gibt dieser Modus dem Fahrer die Möglichkeit kurven ‚anzudriften‘, dennoch reagiert die Regelelektronik, wenn die Schräglage oder der Driftwinkel zu groß werden.
Zusätzlich ist die Hinterradabhebeerkennung deaktiviert, um ein härteres Bremsen zu ermöglichen.
Dieses Feature klingt nicht nur beeindruckend, sondern funktioniert auch atemberaubend gut.
Der letzte Modus ist für absolute Könner auf der Bremse, der nur ein normales ABS (ohne Kurven- ABS) an der Front aktiviert lässt. Den gesamten Rest überlässt das Motorrad dem Fahrer.
Haptik & Bedienung
Alle möglichen Einstellungen, die das Menü bietet, werden über drei Button an der linken Lenkerarmatur bedient und auf dem 4.3 TFT Bildschirm angezeigt.
Die Darstellung und Menüführung ist von der V4 abgeleitet und ist tadellos zu jeder Zeit ablesbar.
Lediglich der TFT Bildschirm ist vergleichsweise etwas langsam und läuft dadurch nicht ganz so ‚flüssig‘. Positiv hervorzuheben sind die Einstellungsmenüs der diversen Fahrassistenten.
Jede Fahrhilfe ist für sich mit eindeutigen Bildern und einer Skala animiert, die keine Zweifel offenlassen, welche Einstellung vorgenommen wurde und ob man eine hohe oder keine Bevormundung durch die Regelelektronik wählt.
Insbesondere bei Einstellungen der Motorbremse (wo sonst überwiegend nur Zahlen auswählbar sind) oder inwieweit die aktuelle Traktionskontrollenstufe für die spezielle Reifenkategorie konzipiert ist, entlastet dieses Feature deutlich und erspart den Blick ins Handbuch.
Die Fahrmodi sind voreingestellt, können jedoch nach Belieben geändert werden. Während der Fahrt kann man dann mit einem Tastendruck den Fahrmodi wechseln und muss dies mit einem kurzen Gas schließend quittieren.
Ducati hat in Puncto ‚Fahrassistenzsysteme‘ ins oberste Regal gegriffen und der V2 alles spendiert,
was ein aktueller Supersportler an board haben sollte.
Die große Erfahrung mit V2- Motoren sticht in dieser Rubrik deutlich hervor. Das gesamte Elektronikpaket harmoniert exzellent mit dem drehzahlfreudigen Twin. Die 6D IMU reagiert übermäßig schnell und greift vor allem hervorragend sanft in die Steuerelektronik ein. Der Fahrer wird weder bei Traktionskontrollen- noch bei Wheeliekontrollen- Eingriffen stark oder ruckartig ausgebremst.
Es wird eben nur so viel Leistung gekappt, die benötigt wird, um den eingestellten Fahrzustand wiederherzustellen, ohne den Vortrieb in Gänze zu durchtrennen. Andere europäische Hersteller verlangen einen Aufpreis, um ein so harmonisch arbeitendes System zu liefern.
Der Quickshifter up/down (Blipper) setzt einen neueMaßstab im V2- Motoren Bereich.
Ducatis überarbeitetes System schaltet schneller und insbesondere auch deutlich sanfter als bisher – Chapeau nach Italien.
Da bei V2- Motoren das Gewicht der rotierenden Massen offenkundig höher ist als bei Reihenzylinderkonzepten, sind die Schleppmomente des Motors deutlich größer, wodurch die Entwicklung eines schnellen und gleichzeitig sanft- schaltenden QS kompliziert wird. Dieses Problem zeigen andere V2- Hersteller deutlich auf.
Die Motorbremse ist in drei Stufen einstellbar und entlastet bei maximaler Unterstützung die Antihopping- Kupplung.
Darüber hinaus bietet das Dashboard eine GPS unterstützte Lap Timer- Funktion sowie einen Data Analyser, der gegen Aufpreis erworben werden kann und ein Multimedia System, dass über Bluetooth mit dem Smartphone kommuniziert.
Fazit
Ducati hat einen reinrassigen Supersportler gebaut, der im Vergleich zu seinen Vorgängern und Schwestern komfortabler abgestimmt ist und damit die Alltagstauglichkeit erhöht und gleichzeitig zweifellos ein Supersportler bleibt.
Die Sitzposition ist vorrangig für einen aktiven Fahrstil geeignet, der besonders bei artgerechter Fortbewegung der Panigale Sinn ergibt.
Diese Tatsache macht die Ducati bei sportlicher Gangart zu einem physisch- anstrengenden Motorrad, was in unserem Testfeld den weniger ambitionierten Hobbyfahrern einen Umstieg erschwerte.
Das V2- Konzept ist nicht mit alten (aus dem Drehzahlkeller drückenden )V2 Motoren zu vergleichen.
Denn das relativ ‚kurzhubige‘ Aggregat, das die Euro 5- Standards erfüllt, möchte mindestens im mittleren Drehzahlbereich gefahren werden und braucht für den höchstmöglichen Vortrieb das letzte Viertel des Drehzahlmessers. Die „nur 155PS“ fordern dem Fahrer im Vergleich zur großen Schwester nicht alles ab und sind durchaus benutzerfreundlich und stressfrei abzurufen. Insgesamt durften wir ein Motorrad für euch Testen, das sich Designtechnisch auf höchster Ebene befindet und die meisten Blicke auf sich zieht.
Es wird insbesondere denjenigen Fahrern gefallen, die vom Motorrad gefordert werden wollen, aber kein 200Ps- Motorrad brauchen bzw. wollen und gleichzeitig höchste Ansprüche an Aspekte wie Design und elektronische Möglichkeiten stellen.
Vielen Dank fürs Lesen
David Bauer
Bildmaterial: Ducati