Es war Hochsommer und auch vom Wetter so, wie man es heutzutage selbst in Mitteleuropa inzwischen öfters erwarten muss. Also ziemlich warm. Zudem war ich gerade erst von einer längeren Motorradtour (gut 4800km im östlichen Balkan) zurückgekommen. Beides für mich Gründe, nicht gerade jetzt eine Testmaschine auf den Hof der Redaktion entgegen nehmen zu müssen.
Es handelte sich allerdings um die neue Honda Transalp 750
Diese Maschine interessierte mich dann doch mehr, als die angesprochenen Gegenargumente mich davon abhielten.
Es kam mir ein bisschen vor wie 2015, als Honda die neue (damals 1000er) AfricaTwin vorstellte. Ein Motorrad-Modell mit langer Geschichte, welche irgendwann eingestellt wurde, um diverse Jahre später, wenn man schon fast nicht mehr damit rechnen konnte, neu aufgelegt wurde.
So ähnlich wie bei der “großen Schwester” war es nun wieder bei Honda. Es gibt endlich wieder eine Transalp. Wie auch bei der AfricaTwin war bei der “Transe” wirklich alles neu. Bis auf den Namen und die Kategorie hat die neue Maschine nichts mehr mit der alten zu tun. So steht das neue Modell nun vor mir, in schlichtem aber durchaus elegantem “matt iridium gray metallic”. Alternativ wird noch “ross white” (Tricolor in Anlehnung der alten XL 600 V) und “matt ballistic black metallic” angeboten.
Der in den alten Modellen verbaute (zunächst mit 600cm³, dann über 650 bis 700cm³ gewachsene) V2 musste nun (wie zuletzt so oft im Mittelklasse-Bereich) einem kosten- und platzsparenden Reihen-Zweizylinder weichen.
Aber auch Honda nutzt (wie viele andere Hersteller auch) einen Hubzapfenversatz um 270°, um wie ein V2 daher zu kommen. Der Motor ist identisch auch in der ebenfalls neuen Hornet 750 (die nächste “Wiederauferstehung”!) im Einsatz, sogar ganz ohne die sonst gern gemachten Anpassungen
(weniger Spitzenleistung, dafür mehr Druck im Drehzahlkeller).
Hier sorgen also muntere 67,5kW (92PS) und 75Nm (bei 72650 1/min) aus 755cm³ für die Musik. Natürlich wird auch eine A2-taugliche Version mit 35kW/48PS angeboten.
Hinterm Motor werkelt nun zudem ein heute übliches 6-Gang-Getriebe, die alten Modelle mussten mit einer Schaltstufe weniger auskommen.
Ansonsten geht die neue “Transe” in Sachen Fahrwerk wieder etwas “back to the roots”: Während die ersten 600er und 650er Modelle noch mit 21” Vorderrad daher kamen, wurde die letzte Modellreihe (XL 700 V) auf ein 19” Vorderrad gestellt und war insgesamt deutlich weniger in Richtung Enduro ausgelegt, was auch durch das Gewicht von 219kg unterstrichen wurde.
Die neue XL 750 setzt nur wieder auf das 21” (90/90) Vorderrad und hinten das dazu übliche 18” Rad in den Dimensionen 150/70 (samt Schlauch), bereift ist die Testmaschine mit den Dunlop Trailmax Mixtour. Wie der Name schon vermuten lässt, ist das Modell ein vielseitig einsetzbarer Pneu, der im Test gutmütig daherkam und weder besonders positiv noch negativ auffiel.
Insgesamt hat die Maschine mit nun 208kg minimal etwas abgespeckt. Fahrwerkstechnisch kommt vorne eine 43mm Showa-USD-Gabel zum Einsatz, hinten ein pro-Link-Federbein. Der Federweg von vorne 200mm und 190mm hinten lässt auch durchaus Einsätze abseits befestigter Wege zu, die neue Transalp will also wieder mehr Enduro sein. Einen Motor-Bodenschutz gibt es serienmäßig allerdings nicht, ebenso wenig wie einen Hauptständer. Das alles (und noch viel mehr) kann aber als Zusatzpaket extra bestellt werden, Honda bietet da ein umfangreiches Sortiment an. Aus diesem wurde die Testmaschine immerhin mit einem Schaltassistenten ausgestattet.
Die Maske/Verkleidung geht vom Design in die Richtung der X-Modelle (CB500/NC750), was der Transalp zumindest von vorne betrachtet vielleicht doch etwas die optische Eigenständigkeit nimmt. Prinzipiell ist das alles aber durchaus gefällig und ansprechend.
Passend dazu setzt die Beleuchtung durchgängig auf aktuelle LED-Technik.
Nun aber in den Sattel!
Wie typisch bei Honda passt sofort alles. Sitzposition, Lenker, Griffe und Fußrasten. Alles dort, wo ich es blind aufsitzend erwarten würde. Auch wenn ich bei der ersten Nutzung des Blinkers nach wie vor die Hupe drücke, weil Honda vor einigen Jahren die Positionen der beiden Schalter getauscht hat.
Aber wie ebenfalls üblich, hat man sich daran schnell gewöhnt. Moderne Zeiten haben zudem auch das Cockpit erreicht.
Wie heute üblich, schaut man auf ein (5” großes) TFT-Farbdisplay, welches sich als immer gut ablesbar herausstellte.
Was mir bei der Testmaschine im Blickfeld hingegen fehlte, war eine Stromversorgung für weitere Gerätschaften. Wie kann sowas bei einem Reisemotorrad sein, weder eine übliche 12V-Steckdose noch ein USB-Anschluss sind hier in Serie verbaut. Einzig ein Blindstopfen links unterhalb des Displays lachte mich an,
also vollkommen ignoriert wurde das Thema nicht.
Wobei die Aussage so im Endeffekt nicht ganz stimmt. Es gibt einen Anschluss unter der Sitzbank, sogar ganz modern in einer USB-C Ausführung. Dieser dient sowohl zum Laden eines angeschlossenen Gerätes als auch zur Ladung der Batterie mit Hilfe eines geeigneten Netzteils. Gerade letzteres ist ja eine schöne Idee, aber trotzdem gehört für mich bei einer Reisemaschine eine Stromversorgung serienmäßig irgendwo im Bereich des Cockpits. Punkt.
Nach der Ablieferung eines überschaubaren Geldbetrages (aktuell 37€) bekommt man im Honda-Zubehör natürlich so eine Steckdose zum Plug’n’Play-Nachrüsten.
Passend zum Cockpit gibt es die Honda RoadSync-App, mit deren Hilfe weitere Funktionen auf das Display einziehen.
Dazu gehören Musik hören, telefonieren, Nachrichten schreiben und Navigation. Bei letztgenannter Funktion greift die App (im Test: Android) im Hintergrund auf GoogleMaps zu, die einen dann per Sprachfunktion durch den Verkehr lenkt.
Eine optische Anzeige gibt es allerdings nicht. Zudem ist Maps auch nur eingeschränkt für geplante Touren tauglich, für simples “A nach B” klappt das hingegen wunderbar.
So nett solch eine Funktionserweiterung mit Hilfe einer extra App auch ist, ich persönlich bevorzuge doch die Integration von Android Auto und Apple CarPlay, wie es im eigenen Haus z.B. schon bei der großen Schwester AfricaTwin und NT1100 realisiert ist. Mit solch einem System ist man einfach deutlich flexibler und kann bei Bedarf auch weitere/andere Apps nutzen.
Ansonsten gefällt das System: Es werden 4 Screens angeboten, die die Haupt-Anzeigeelemente in verschiedenen Optiken anzeigen.
Alle möglichen Einstellungen kann man simpel und selbsterklärend vornehmen, darunter auch die Anpassung der verschiedenen Fahrmodi (Gravel, Sport, Standard, Rain und User) nach (4-stufiger) Leistungsentfaltung, (5-stufiger) Traktionskontrolle und (3-stufiger) Motorbremse.
Hier kann man sich alles fein nach eigenen Vorlieben zurecht konfigurieren. Auch Wheelie-Control und (2-stufiges) ABS lassen sich anpassen, bzw. bei Bedarf (hinten) abschalten. Die Steuerung funktioniert per Rauf/Runter-Taste samt links/rechts Auswahl und alternativ per Sprachsteuerung.
Diese funktionierte bei mir (per Sena-Intercom) allerdings bestenfalls bei langsamen Tempo. Bei normaler Überland-Fahrgeschwindigkeit wurde ich vom System nicht mehr verstanden.
Was fällt noch auf?
Die nicht einstellbare Scheibe passte bei mir (1,87m) hervorragend, auch bei höherem Tempo hatte ich keine Turbulenzen am Helm.
Bei meiner ersten längeren Testausfahrt bei >30°C funktionierte der Windschutz sogar eigentlich fast zu gut, ich hätte bei diesen Bedingungen gerne etwas mehr Fahrtwind abbekommen. Auch die Spiegel waren für mich gut nutzbar.
Ich habe ja eigentlich immer etwas Ober- oder Unterarme im Blick, aber hier insgesamt nur wenig davon und überwiegend war der rückwärtige Verkehr gut zu sehen. Das hatte ich auch diverse Male schon anders.
Der verbaute Schaltassistent funktionierte stets gut, auch bei niedrigen Drehzahlen und wenig Last. Die ungehörige Geschmeidigkeit der Variante aus dem Hause Triumph erreicht er aber nicht. Die britische Version ist für mich nach wie vor der Klassenprimus.
Die bequeme Sitzbank bietet eine (nicht verstellbare) Höhe von überschaubaren 850mm, Honda bietet zudem auch noch eine niedrigere Bank an. Für mich persönlich hätte es durchaus (optional) etwas höher sein können, aber alles im grünen Bereich.
Auch nach einer 400km Tour wurde keine Erlösung in Form von Absteigen benötigt. Hier passt die Einordnung als Reisemaschine wirklich.
Nun aber mal zum Fahren selber.
Im Stand erscheint der Motorsound schön bassig, wobei auch Honda hier in Sachen Standgeräusch mit 94dB nicht gerade flüsterleise daher kommt, allerdings auch nicht aufdringlich. Immerhin bleibt es unterhalb der “Tirol-Schwelle” von 95dB.
In Fahrt gebracht, swingt die neue Transalp sehr lässig durch die Kurven. Trotz Radstand von 1560mm kommt die Maschine sehr handlich und wendig daher, daran hat auch der angenehm breite Lenker seinen Anteil.
Das Fahrwerk ist komfortabel, ohne dabei im normalen Tempobereich zu weich zu sein. Ein kleiner Offroad-Abstecher (konkret ein paar Kilometer Feldweg und Schotterpiste) wurde auch souverän gemeistert. Die Bremsen sind jederzeit Herr der Lage und verzögern sehr gut, ohne dabei zu giftig zu sein.
Ganz generell kommt die Honda sehr gutmütig und auch absolut Einsteiger-freundlich daher. Beim Motor war ich gespannt, wie dieser sich im Popometer-Vergleich zum Yamaha CP2-Antrieb (z.B. in der MT-07 oder auch Ténéré 700) so schlägt. Ich muss dabei sagen, dass ich hier keinen direkten Vergleich machen konnte. Den Yamaha Zweizylinder habe ich allerdings in der Vergangenheit mehrere tausend Kilometer über alle möglichen Wege gescheucht. Um es kurz zu machen: Der CP2 drückt definitiv mehr aus dem Drehzahlkeller. Der 750er Honda-Antrieb benötigt für einen ähnlichen Schub mehr Drehzahl, so richtig munter wird der Antrieb ab etwa 4500 1/min. Ab dort geht dann zunehmend die Post ab.
Im Antriebsvergleich zum Yamaha-Twin ist die Transalp etwas mehr wie die Aprilia Tuareg
(die ich seinerzeit zusammen mit der 700er Ténéré auf großer Tour für die Redaktion testen konnte).
Am besten immer einen Gang niedriger und man ist bei der Musik dabei. Das merkt man besonders auch im 6. Gang. Dieser fährt sich schon etwas wie ein Overdrive. Mit 80-100 km/h auf der Landstraße sollte man zum flotten Überholen besser 1-2 Gänge runter schalten. Zum Dahingleiten ist so ein lang übersetzter letzter Gang aber natürlich durchaus sinnig.
Wenn man erst einmal raus hat, in welchen Drehzahlen man hier am besten unterwegs ist, kommt die neue “Transe” dann auch recht flott über jedes Geläuf. Um möglichst “spritzig” unterwegs zu sein, lag mir persönlich definitiv der Sport-Modus am besten.
Zum wirklich sportlichen Fahren ist die Federung dann allerdings doch etwas zu weich. Aber die Honda wird wohl auch nicht primär als Rennpferd gekauft.
Insgesamt hinterlässt der Zweizylinder einen guten Eindruck. Man hat halt nicht so ganz den CP2-Punch aus dem Keller, dafür jubelt es aber in höheren Drehzahlen auch diverse Pferdchen mehr aus dem Stall heraus. Dabei blieb der Antrieb insgesamt recht sparsam, ich lag bei rund 4,5l auf durchaus flott gefahrenen 100km. Bei dem knapp 17l fassenden Tank kommt man somit rund 350km weit.
Zusammengefasst hat Honda hier ein wirklich gutes Gesamtpaket auf die Beine/Reifen gestellt,
angesichts des aufgerufenen Grundpreises von 10.890€ (inkl. Überführung)
bekommt man wirklich sehr viel für sein Geld. Da kann man vielleicht über einige fehlende Merkmale in der Grundausstattung hinweg sehen.
Wer etwas haben möchte, bekommt es schließlich wahlweise als Zubehör ab Werk.
Honda hat für den Namen “Transalp” somit einen absolut würdigen Nachfolger geliefert, der technisch auf der Höhe der Zeit ist und seine Kerndisziplin “Reisen” wunderbar beherrscht.
Ein weiteres Beispiel für ein tolles Fahrzeug der Mittelklasse, wie es sie in den letzten Jahren zum Glück immer öfter zu bewundern gibt.
Es muss wirklich nicht immer die rund doppelt so teure Oberklasse sein!