Als die Info kam, dass ich die MT-09 fahren dürfte, habe ich mich sehr gefreut und war gespannt, was mich erwartet.
Toll, dass sie kurze Zeit später bereits in der Redaktion auf mich wartete.
Ich hatte zwar eine ältere Version des Motors mal in Form einer Tracer gefahren, aber das nicht ausgiebig, und ich musste schon auf den ersten Kilometern feststellen, sie damals nicht artgerecht ausgeführt zu haben.
Ich kam gerade von von einer sechsstündigen Tour zurück, wollte die MT-09 nur kurz abholen und dann nichts wie nach Hause.
Daraus wurden die ersten hundert Kilometer. Ich war so begeistert, dass meine Müdigkeit sofort wie weggeblasen war. Schon nach wenigen Metern fühlte es sich an, als ob ich nie etwas anderes gefahren wäre.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Mittelklasse-Japaner es kontinuierlich schaffen, dich einzuhüllen und dir ein gutes Gefühl vermitteln.
#madeinjapan bedeutet für uns also, genauer hinsehen, um den ersten – meist positiven – Eindruck zu untermauern oder zu widerrufen.
Glücklicherweise haben wir immer zwei Wochen Zeit, um die Maschine zu checken und sie für unsere Leser auf Herz und Nieren zu prüfen.
Die Landstraße ist genau ihr Terrain und durch ihr relativ geringes Gewicht ist man in den ersten Kurven schon erschrocken, wie wenig Kraft es braucht, um dieses sportliche Zweirad in die Kurve zu legen. Gerade in kleinen engen Kurven spielt sie alle ihre Stärken aus.
Aber Achtung, ein Gefühl fürs Vorderrad stellt sich auch nach vielen hundert Kilometern nur schwer ein.
Motor
Die MT-09 wird weiterhin wie üblich durch einen 3-Zylinder-Motor angetrieben, welcher im Vergleich zum Vorgängermodel auf 890 Kubik angewachsen ist. Durch neue Einspritzdüsen verspricht er eine effizientere Verbrennung und somit – gerade in niedrigeren Drehzahlen – auch mehr Leistung.
Tatsächlich gibt es kaum eine Drehzahl, in der sich dieses Motorrad nicht wohl fühlt.
Ab 40 km/h kann man sich im Prinzip für einen der sechs Gänge entscheiden und auch aus allen ruckelfrei beschleunigen. Unter 40 km/h sollte man schon etwas Fingerspitzengefühl an den Tag legen, um die richtige Gang-Drehzahl-Kombination zu finden.
Vier Modi lassen dem Fahrer die Wahl, wie direkt die Gasannahme über den elektronischen Gasgriff sein soll.
Im gedrosselten Modus 4 lässt es sich gemütlich durch die Stadt oder über die Landstraße cruisen. Dieser Modus ist für Wiedereinsteigende oder Führerscheinneulinge sicher auch eine angenehme Einstellung, um sich an das Motorrad zu gewöhnen.
Im Modus 1 ist dann viel Spaß angesagt und die volle Leistung steht zur Verfügung. Hier sollte man schon sehr behutsam mit dem Gashahn umgehen, denn dieses Motorrad meint es wirklich ernst mit dir ... das nennen wir spaßige Mittelklasse! #bravoyamaha Das Vorderrad wird auch bei 160 km/h noch schnell leicht, wenn man durchzieht.
Das Traktionskontrollsystem lässt sich ebenfalls über drei Modi einstellen. Wobei man hier zwischen zwei vorprogrammierten Modi und dem manuellen Modus wählen kann, der in den Einstellungen voreinstellbar ist.
Traktionskontrolle, Rutschkontrollsystem und das Hubkontrollsystem lassen sich hier getrennt voneinander in drei Stufen einstellen oder auch ganz abschalten.
Außerdem reagieren die Fahrassistenzsysteme auf den Neigungswinkel des Motorrades und greifen je nach Schräglage mehr oder weniger ein.
Die Modi kann man allerdings nur im Stillstand bzw. bei geschlossenem Grasgriff umschalten. Somit ist ein spontanes Ändern des Fahrstils nur bedingt möglich, was ich persönlich sehr schade finde.
Das Getriebe verfügt über den Schaltassistenten „QSS“, der einen tadellosen Job macht. Im Gegensatz zu anderen mir bekannten Schaltassistenten wechseln die Gänge kaum merklich und das ermöglicht auch in Kurven ein Auf- oder Abschalten, wie es einem gerade beliebt.
Durch sehr kleine grüne Pfeile, denen man während der Fahrt eher wenig Beachtung schenkt, wird angezeigt, wann die Gänge gewechselt werden können, bzw. wann es ratsam wäre, dies zu tun. Im Menü kann man diese Werte auch individuell anpassen.
Das Cockpit ist generell sehr minimalistisch und klein gehalten. Etwas günstig wirkt das kleine Kästchen, welches recht verloren vor dem Lenker hängt. Auf engstem Raum werden einem sehr viele Informationen angezeigt, wodurch man schon mal den Überblick verlieren kann.
Aber wie heißt es so schön: Man gewöhnt sich an alles.
Neben der Geschwindigkeit und der Drehzahl werden die Gänge, die Uhrzeit und die Fahrmodi ständig angezeigt. Rechts unten hat man zwei kleinere Fahrzeuginformationsanzeigen, welche die Wahl zwischen Gesamtkilometer, Trip 1 und 2, durchschnittlicher und momentaner Verbrauch, Luft und Kühlwassertemperatur, Kraftstoffmesser, verbrauchter Kraftstoffmenge und Betriebsdauer ermöglichen.
Während die Auswahl der Modi über drei ausreichend große Schalter mit dem linken Daumen erfolgt, müssen alle anderen Einstellungen über ein Drehrad an der rechten Lenkerseite vorgenommenen werden.
Das stellte sich im Betrieb, gerade mit Handschuhen, als wenig nutzerfreundlich dar.
Um das Rädchen zu drehen, ohne es einzudrücken, und damit die Auswahl zu bestätigen, braucht es Feinmotorik.
Der Gasgriff und die dahinter liegende Steuereinheit sprechen sehr sensibel an, was zu unschönen Geschwindigkeitsrucklern führen kann. Warum Yamaha hier nicht die gleichen Bedienelemente wie auf der linken Seite verwendet oder mit einem Steuerkreuz arbeitet, ist fraglich.
Fahrwerk und Bremsen
Mit ihren 189 kg lässt sich die MT-09 wie ein Fahrrad ohne jegliche Anstrengung durch die engsten Kurven jagen. Die montierten Bridgestone s22 kleben wie Ahornsirup, vermitteln einem stets ein sicheres Gefühl und laden dazu ein, sie komplett zu nutzen.
Bei schlechterem Asphalt wird es allerdings schnell ungemütlich und das Hinterrad fängt unter Umständen das Tanzen an. Selbstverständlich kann man den Zentralstoßdämpfer und die Upsidedown-Gabel einstellen. Unser Versuch diesbezüglich blieb aber ohne großen Erfolge.
Die USD-Gabel fühlt sich zudem auch mit harter Einstellung beim Bremsen plötzlich recht weich an und sobald die sehr direkte 4-Kolben-Bremszange in ihre 298-mm-Doppelscheibe packt, taucht das Motorrad sehr weich in die Tiefe. Das ist gerade bei sportlicher Fahrweise kein schönes Gefühl.
Hier könnten die 2.000 € für die SP-Version mit einem Öhlins-Federbein und einer Kayaba-USD-Gabel, die weitaus bessere Einstellmöglichkeiten verspechen, gut investiert sein. Allerdings steht die MT-09 in der Standardvariante bei uns, da die SP-Version kurzfristig von Yamaha Deutschland benötigt wurde.
Design
Was den einen wahnsinnig wichtig ist, ist den anderen total egal. „Hauptsache es fährt gut.“
Und das tut sie, die MT-09. Aber als ich auf sie zu gelaufen bin, habe ich mich ehrlicherweise etwas erschrocken. Die Maske, die ohne Scheibe wirkt, als fehle eine Abdeckung, und die einzelne LED-Kugel in der Mitte sollen sicherlich zwischen den breiten Schultern der Lufteinlässe aggressiv wirken und ein junges Publikum ansprechen, aber als „schön“ würde ich das nicht bezeichnen.
Was mir hingegen sehr gut gefällt, sind die um 700 Gramm leichteren „SpinForged“-Felgen.
Da standen die alten Hasen daneben und konnten es nicht fassen, dass diese Farbe wieder in Mode gekommen ist. Tatsächlich ist es genau die Farbe, die bei vielen Motorrädern aus den 90ern längst überlackiert wurde, und das trotz der perfekt passenden Textilkombis aus dieser Zeit. Das sitzt bei einigen scheinbar tief.
Immerhin ist die Applikation in der Felge nicht im 90er-Lila gehalten, sondern in Rot, was ins Auge sticht und ein schöner Hingucker ist.
Generell finde ich die Farbkombination die schönste im Angebot und wirklich sehr cool.
Landstraßen- und Tourentauglichkeit
Die MT-09 ist ein alltagstaugliches Motorrad, mit dem man sportliche, aber auch gemütliche Touren fahren kann. Ohne Scheibe sitzt man natürlich im Wind, was man auf der Autobahn ab 130 km/h stark zu spüren bekommt.
Außerdem dreht der Motor bei 130 km/h bei ca. 5.000 U/min und klingt somit nicht nach entspanntem Cruisen.
Die Sound-Ingenieure haben der Airbox eine sonore Klangfarbe verpasst.
Die Sitzbank ist zwar recht hart gepolstert, aber dafür angenehm ergonomisch geformt, sodass man es lange darauf aushält. Generell ist die Sitzposition mit meinen 1,86 Metern sehr aufrecht und bequem. Auch meine Beine fanden problemlos ihren Platz und meine Füße passten überall drunter, drüber und durch.
Der Benzinverbrauch lag bei meinen Testfahrten im Schnitt bei 5,6 Litern und damit reichte eine Tankfüllung ca. 190 km, bevor die Reservelampe leuchtete.
Das ist zwar nicht rekordverdächtig, aber für Touren über Land allemal ausreichend.
Die Tankanzeige ist in vier Felder aufgeteilt, von denen das erste große Feld ca. 130 km lang angezeigt wird und danach drei kleine Felder. Leider weiß man dadurch nicht immer genau, wie voll der Tank noch ist, und muss sich doch einen Tripzähler für den Tank aufheben, wenn man es genau wissen will.
Das Wort zum Sonntag
Ich habe die MT-09 nur sehr ungern wieder abgegeben und vermisse sie schon jetzt. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit ihr durch die Landschaft zu flitzen. Selbst der Weg durch die Stadt zur Arbeit war spaßig-flott und sicher.
Einziger wirklicher Haken: Die MT-09 animiert zum Gasgeben. Wer da nicht widerstehen kann, sollte lieber die Finger vom Mode 1 lassen.
Für ca. 10.349 € bekommt man ein leistungsstarkes Motorrad, welches viele Wünsche erfüllt.