Mein erster Kontakt mit Hondas NC-Serie liegt nun schon 7 Jahre zurück. Auf dem Honda Motorrad Pressetag 2014 konnte ich diese Modellserie das erste Mal ausprobieren.
Im Herbst 2011 (auf der EICMA) vorgestellt gibt es die NC-Modellserie seit 2012 im Programm. NC steht hier NewConcept, wie es im Wikipedia-Artikel nachzulesen gibt. Ebenfalls ist dort zu erfahren, dass es seitens Honda eine Umfrage gab, wie Motorräder genutzt werden. Zur (nicht) Überraschung fährt man meistens nicht so wahnsinnig schnell und oft in eher niedrigeren bis mittlere Drehzahlen. Alltag halt. 😉
Genau nach diesen Anforderungen wurde die NC-Serie entworfen. Also mit überschaubarer Leistung (in der ersten 700er Serie mit 35kW/48PS, passend zum „kleine“ Führerschein), sparsam im Verbrauch und nicht sonderlich hochdrehend. Basis der Entwicklung war dann in der Tat ein auf 2 Zylinder reduzierter Automotor. Optisch auffällig war der flache Winkel der Zylinderköpfe, der Antrieb liegt schon fast im Motorrad. Auch zog hier das Baukastensystem ein, es gab auf jeweils gleicher Basis (also inkl. Motor und Rahmen) ein Naked Bike (S), den Allrounder (X) und sogar einen „echten“ Roller (Integra).
Die auffälligste Besonderheit war sicherlich die Tank-Attrappe. Das gab es woanders zwar auch schon (z.B. BMW F-Serie), aber hier wurde der gewonnene Platz durch ein großes Staufach genutzt! Man hatte quasi ein Motorrad, mit einem Kofferraum!
Dieses wurde mit „Platz für einen Integralhelm“ beworben, was ich damals natürlich direkt ausprobieren musste. Dummerweise passte mein Helm (Größe XL) nicht dort hinein, so wurde vor Ort dann die Aussage etwas kleinlaut „bis etwa Größe M“ korrigiert.
Was mir noch in Erinnerung blieb, der Motor schob schön kräftig aus dem Drehzahlkeller los und wenn man dachte, jetzt geht es richtig los, landete man im Begrenzer. Ich glaube ich bin bisher bei noch keinem Motorrad so oft (ungewollt!) im Drehzahlbegrenzer gelandet wie bei dieser ersten Testrunde. Das Problem ergab sich freilich nicht, wenn man das Modell mit DCT genommen hat. Das Kürzel steht für „Dual Clutch Transmission“ und benennt Hondas (bis heute im Motorradbau einzigartige) Doppelkupplungsgetriebe. Ganz wichtig war für Honda damals schon, dass man nicht von einem Automatik-Motorrad sprechen sollte („Don’t call it Automatic!“), auch wenn es sich für den Fahrer ohne technische Betrachtung als genau so etwas darstellt. Aber hier hatte man wohl die Assoziation mit den (bei kleinen Rollern gern verwendeten) Wandler-Getrieben vor Augen, die man natürlich vermeiden will.
Und in der Tat funktioniert ein Doppelkupplungsgetriebe auch ganz anders. Ich will an dieser Stelle nicht tiefer einsteigen, wer Interesse hat, kann das an diversen Stellen nachlesen. Jedenfalls bin ich damals schon, besonders in der NC-Reihe, Fan vom DCT geworden. Wenn gleich nicht bei allen Modellen, bei denen es damals angeboten wurde.
Im Laufe der Zeit hat sich die Serie natürlich weiterentwickelt, primär stieg der Hubraum und auch die Leistung etwas an. Das Grundkonzept blieb freilich.
Und somit hatte ich nun, 7 Jahre nach meinem „Erstkontakt“ eine NC 750X mit DCT auf dem Redaktionshof stehen.
Als erstes musste ich an die Geschichte damals mit meinem Helm denken. Also direkt einmal das Tankfach geöffnet und meinen aktuellen HJC (wieder Größe XL) darin versenkt.
Was soll ich sagen? Er passt!
Auch der Deckel lässt sich problemlos schließen.
Bei genauerer Betrachtung schien das Fach regelrecht um meinen Helm herum konzipiert zu sein. Geldbörse oder Handschuhe erst unten rein und Helm darauf? Nix zu machen, ich konnte den Deckel nicht mehr schließen. Ist ja kein Problem, solche Dinge kann man ja gut im gelagerten Helm unterbringen.
Den ersten Punkt auf meiner Checkliste konnte ich somit schon einmal Positiv abhaken.
Nun geht es aber Mal langsam auf die Straße! Beim Aufsitzen direkt das typische Honda-Gefühl: Es passt einfach alles. Man sitzt gut, alles liegt sofort sauber in den Händen.
Nach dem Starten sucht man natürlich vergeblich nach Kupplung und Schalthebel, an der rechten Armatur ist die Auswahl des Fahrmodus, wie üblich steht auch hier „D“ für Drive.
Man vernimmt ein leises Klack und das Doppelkupplungsgetriebe stellt den ersten Gang bereit. Wahlweise kann man auch „M“ für rein manuelles Schalten wählen, in diesem Falle ginge es an der linken Lenkerarmatur weiter. Aber ich werde zunächst einmal das DCT seine Arbeit allein erledigen lassen.
Ein leichter Dreh am Gasgriff lässt die NC 750 sanft anfahren. Recht flott werden die verschiedenen Gänge selbstständig hochgeschaltet. Wahlweise kann man die Schaltarbeit auch selber durchführen, am linken Griff gibt es zwei Schaltknöpfe, mit dem Daum schaltet man ganz unten am Schaltelement einen Gang runter, mit dem Zeigefinger auf der Rückseite in den nächst höherer Gang. Auch das hat man (als DCT-Anfänger) schnell verortet und es läuft locker aus der (linken) Hand. Etwas weiter innen an der linken Lenkerseite sitzt zudem auch die Feststellbremse. An einer unebenen Stelle abgestellt kann man ja nicht einfach einen Gang drin lassen.
Der Blick fällt nun auch regelmäßig auf die Instrumentenanzeige. Hier hat Honda noch auf eine LCD-Display gesetzt, entgegen dem aktuellen Trend zur TFT-Variante auch in den Fahrzeugen unterhalb der Oberklasse. Das lässt sich aber problemlos verschmerzen. Alle Infos sind vorhanden und gut ablesbar: Oben ist direkt unterhalb von Tankanzeige und Uhr über die ganze Breite die Drehzahlanzeige, darunter eingelegter Gang und mittig der Tacho, rechts wird man über das aktive Fahrprogramm informiert. Das ist recht schön gelöst. Es gibt verschiedene Fahrmodi: Standard, Sport, Rain und individuell (heißt hier User). Bei jedem Modus sind direkt daneben die eingestellten Parameter zu sehen. P für die Motor-Leistungsstufe, EB zeigt die Motorbremsstufe, T die Drehmoment-Kontrollstufe. Bei jedem Parameter gibt es 3 Stufen.
Ob nun bei einem Krad dieser Leistungsklasse (die aktuelle NC 750 liefert 43kW (gut 58PS) bei 6750 1/min ab) ein Regen-Modus nötig ist, lasse ich einmal offen. Es tut ja auch nicht weh, einen zu haben.
Um leichter im Blick zu haben, in welchem Modus man so unterwegs ist, wird der Status noch rechts oben durch ein farbiges Lämpchen markiert. Links und rechts neben dem Display sitzen zudem auch die anderen üblichen Kontrollleuchten. Ich fand das ganz praktisch, so konnte man schon aus dem Augenwinkel den aktiven Modus erkennen.
Ein Freund, ( Ebenfalls Motorrad Redaktuer ) der auch eine Runde mit der NC drehte, empfand dieses Lichtspiel eher etwas verwirrend. Der Sport-Modus lässt das Lämpchen auffällig rot leuchten, was natürlich auch als Warnlicht wahrgenommen wird. Rain leuchtet übrigens blau und Standard in violett. Bleibt also wohl eine Geschmackfrage.
Der primäre Unterschied zwischen Standard- und Sport-Modus liegt auf der Landstraße darin, dass im Sport-Modus so ganz grob immer ein Gang tiefer gefahren wird. Bei StVO-konformer Nutzung abseits von Schnellstraßen kommt man so nie in den 6. Gang. Bzw. man kann ihn natürlich immer noch manuell einlegen. Die Schaltwippen an der linken Lenkerseite funktionieren nämlich nicht nur im rein manuellen, sondern auch im D-Modus. Man kann somit dem vom DCT-eingelegten Gang selber manuell immer (in gewissem Rahmen) ändern.
Bei normaler Fahrweise Funktion Standard ganz gut, will man etwas flotter unterwegs sein und hin und wieder einmal überholen, hat mir eindeutig der Sportmodus besser gefallen. Beim Gas geben wird nämlich zunächst erst einmal ein Gang hinunter geschaltet, zieht man weiter am Hahn erst nach kurzer Zeit ein zweites Mal.
Das bedeutet beim Überholen, dass man erst mit einer gewissen Verzögerung zum maximalen Schub kommt.
Ansonsten benimmt sich die NC sehr neutral und im besten Sinne unauffällig. Die einzelnen Scheibe am Vorderrad verzögert immer ausreichend, das Fahrwerk macht seine Aufgabe recht neutral, so lange der Untergrund überwiegend glatt daherkommt. Bei etwas forcierterem Tempo oder unruhigerem Geläuf kommt es aber bald an seine Grenzen. Ebenso finden dann die recht tief gelegenen Fußrasten leichter den Kontakt zum Boden.
Insgesamt kommt die 750X trotz ihres Gewichts von stattlichen 224kg (aber immerhin 6kg leichter als das Vorgängermodell, durch das DCT allein kommen aber 10kg hinzu) recht handlich daher.
Das liegt sicher auch an den recht schmalen Reifen, hinten genügt man sich mit einem 160er. Die aufgezogenen Dunlop Trailmax bieten auch keinen Grund zur Klage und harmonieren gut mit der Maschine. Vor allem dient aber der niedrige Schwerpunkt, bedingt durch die flache Lage des Motors und durch den tief liegenden Tank unter der Sitzbank, der guten Handlichkeit.
Ansonsten passte mir das (nicht einstellbare) Windschild ganz gut, was eher selten der Fall ist und auch die Spiegel boten mir eine gute Sicht nach hinten. Zudem produziert die Abgasanlage einen angenehmen Klang, ohne die Umgebung mit aufdringlicher Lautstärke auf sich aufmerksam zu machen. Hier profitiert die Honda natürlich sehr von ihrem niedrigen Drehzahlniveau, als Standgeräusch stehen 89 dB in den Papieren, solche Werte findet man bei neuen Maschinen heute kaum noch.
Nach längerer Fahrzeit zwickt es bei mir etwas in den Beinen, der Kniewinkel ist für mich (1,87m) auf Dauer schon etwas eng, aber zielgruppenbedingt (neben (Wieder-)Einsteigern sind sicher (öfters etwas kleiner) Frauen eine anvisierte Gruppe) ist die Sitzhöhe recht niedrig und somit für 80% der Interessenten mit Sicherheit ideale.
Richtig Punkten kann der Antrieb in Sachen Verbrauch: Bei mir kam der langhubige Zweizylinder (77mm Bohrung x 80mm Hub) bei vier komplett gemessenen Tankfüllungen auf Verbräuche von 4,27 und 4,36l auf 100km, jeweils rund 2/3 der gefahrenen Strecke im Sport-Modus. Etwas gemäßigter unterwegs schafft man sicherlich auch eine 3 vor dem Komma. So hat man trotz des nur gut 14l fassenden Tanks eine ordentliche Reichweite!
#großartighonda
Einzig für Urlaubsfahrer, die gerne Mal mit Gepäckrolle hinten drauf auf größere Tour gehen, hat das Konzept mit dem Tank seinen großen Nachteil: Um die Spritreserve aufzufüllen muss der Soziussitz hochgeklappt werden, denn unter diesem befindet sich der Tankstutzen.
Aber irgendwas ist ja immer…
Ach ja: Wer mit dem DCT so auf dem Papier nichts anzufangen weiß oder die gern genommenen „Automatik“-Vorurteile pflegt - vielleicht einfach Mal ausprobieren.
Insgesamt betrachtet: Mit seinem „Kofferraum“, dem unkomplizierten Fahrverhalten, dem toll funktionierenden DCT und zudem sehr niedrigen Verbrauch stellt sich die NC 750X als ideales „Alltagsmotorrad“ heraus, ein Allrounder im besten Sinne.
Oder etwas spitz formuliert: Hier genießt man die Vorteile eine (gut motorisierten) Rollers, ohne einen Roller fahren zu müssen.